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Die HL. Liturgie der Armenischen Kirche

Im Zentrum der Heiligen Liturgie der Armenisch-Apostolischen Kirche (armenisch “Surp Badarak”- d.h. Heiliges Opfer) steht das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Der Liturgietext wird auf den ersten Patriarchen und Katholikos Gregor den Erleuchter zurückgeführt.

Bis zur Einführung der armenischen Schrift Anfang des 4. Jahrhunderts waren Syrisch und Griechisch als Gottesdienstsprachen in den verschiedenen Provinzen Armeniens im Gebrauch. Je nach vorhandener kultureller Einflusssphäre fanden damals deshalb von Syrien her die Jakobusliturgie aus Jerusalem sowie über Kappadokien die Traditionen der Basilius- und Chrysostomosliturgien in Armenien Eingang; die armenische Liturgie besitzt somit ihren Platz innerhalb der großen antiochenischen Liturgiefamilie. Nach Schaffung der armenischen Schrift durch Mesrop Maschtoz im Jahre 405 war es möglich, Gebete und Hymnen in armenischer Sprache schriftlich zu fixieren; jedoch kommt die Entwicklung der armenischen Liturgie erst im 17. Jahrhundert mit der Einführung von gedruckten Liturgiebüchern zu einem vorläufigen Abschluss.

Im 13. Jahrhundert wurde die lateinische Messe von Nerses von Lambron ins Armenische übersetzt. Infolgedessen wurde der Eingangsteil der lateinischen Messe auch in die armenische Liturgie aufgenommen. Dieser wird allerdings mit dem von Khatschatur von Taron geschriebenen herrlichen Hymnus “Khorhurt Khorin” (Profundes Mysterium) eingeleitet. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die gegenwärtig gebräuchliche armenische Liturgie “eine äußerst originelle Synthese” (Heiser) aus den alten Liturgien der großen Schwesterkirchen und aus eigener, armenischer Tradition bildet.

Die armenische Liturgie besteht aus vier Hauptteilen:

1. Vorbereitung – armenisch: Badrasdutyun

2.  Synaxis, Lesungen – armenisch: Dschaschu Zham 

3.  Eucharistie  – armenisch: Surp Badarak (Surp Badarak im Sinne von Heiligem Geschenk)

4.  Segen und Entlassung  – armenisch: Orhnutyun jew Arzagum

Vorbereitung

1.  Der erste Teil der armenischen Liturgie, die Vorbereitung, stammt in seiner heutigen Form aus der Zeit des kilikischen Königreiches und besteht aus vier Einzelhandlungen: Das Anlegen der Gewänder, die Handwaschung und das Sündenbekenntnis des Priesters, der Aufstieg zum Altar und schließlich die Vorbereitung von Wein und Brot (Die Armenische Kirche nimmt ungesäuertes Brot und Rotwein ohne Beimischung von Wasser).

Anders als in verwandten orthodoxen Traditionen gibt es in der armenischen Liturgie keine regelrechte Ikonostase (Bildwand zwischen Gemeinde- und Altarraum), sondern lediglich einen Vorhang, der vor dem Altarraum auf- und zugezogen wird und eine ähnliche Funktion erfüllt.

Synaxis, Lesungen

2.  Den zweiten Hauptteil der armenischen Liturgie bildet die Synaxis, in dessen Mittelpunkt die Verkündigung Jesu steht. In Zeiten vor dem kilikischen Königreich begann der öffentliche Teil der Liturgie erst an dieser Stelle, nämlich mit folgenden Worten des Priesters: “Gesegnet sei das Reich des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit.” Sodann begegnen erneut durch die Worte des Diakons die Worte vom Liturgieanfang: “Lasst uns abermals den Herrn für Frieden anflehen”. Frieden ist die oberste Voraussetzung für das Gebet.

Vor dem Kleinen Einzug wird im Trishagion (Surp Asdwadz) die Erbarmung des gekreuzigten Gottessohnes erfleht. Es folgt eine alttestamentliche Lesung (in der Regel ein prophetischer Text, der das Thema Buße oder Verheißung des Erlösers thematisiert) und daran anschließend eine neutestamentliche Lesung, entweder aus einem Apostelbrief oder über das Zeugnis Christi bzw. über die Lehre vom Kreuz. Als krönender Höhepunkt kommt der Herr in der Lesung des Evangeliums selbst zu Wort. Daraufhin bekennt sich die Gemeinde im Nicänischen Glaubensbekenntnis armenischer Fassung zu ihrem Glauben. Anschließend folgte ursprünglich unmittelbar die Predigt, die aber heute entweder vor oder nach der Feier der Eucharistie gehalten wird.

Eucharistie

3.  Im Zentrum des dritten Hauptteils der Liturgie steht das Erlösungs- und Versöhnungswerk Christi. Es wird auch „Surp Badarak“ im Sinne von Heiligem Geschenk genannt.

Im Großen Einzug hebt der Diakon den Wein und das Brot hinter dem Altar empor und überreicht beides dem Priester. Währenddessen singt der Chor den Hymnus „Körper des Herren und errettendes Blut“.

In Brot und Wein ist Christus, der unser Frieden ist, selbst gegenwärtig (Epheser 2, 14). Dieser Gegenwärtigkeit wird durch den vom Chor eingestimmten Hymnus “Christus ist unter uns erschienen” Ausdruck verliehen. Währenddessen wird der Friedensgruß ausgetauscht. Der Diakon kommt vom Altarraum herunter und wechselt mit einem Gemeindemitglied den Friedensgruß. Der Friedensgruß wird also anders als im Westen nicht erst vor der Kommunionsausteilung, sondern bereits vor der Darbringung des Opfers ausgetauscht.

Es beginnt jetzt der zentrale Teil der Liturgie, das eucharistische Hochgebet. Christus selbst bringt sich in der Eucharistie als Opfer dar. Was die Gemeinde darbringt, ist ein Opfer des Lobes.

Die Einleitung zum Hochgebet bildet eine trinitarische Benediktion. Dem Schöpfergott wird gedankt für seinen Heilswillen und seine Erbarmung, die durch das Erlösungswerk Jesu Christi, Seines Sohnes, vollzogen wurde. Es folgt die Anamnese, in der der großen Werke der Erlösung, des Leidens, des Todes, der Auferstehung, der Himmelfahrt und der Pfingsten gedacht werden. Laut gesungen werden die Einsetzungsworte und die Epiklese, mithin die Herabrufung des Heiligen Geistes. Mit der Bitte um Verleihung von Liebe, Festigkeit und um Frieden in der ganzen Welt beginnt anschließend ein ausführliches Fürbittgebet, in welchem der Heiligen, der Lebenden und der Toten der Kirche gedacht werden. Das Gebet endet mit dem “Vater Unser”. Zuvor dankt der Priester dafür, dass wir Gott als unseren Vater anrufen dürfen.

Beim darauffolgenden Inklinationsgebet beugt sich die Gemeinde in Ehrfurcht zur Erde, während Brot und Wein in der Elevation, d.h. Emporhebung, erhöht werden. Die Haltung der Verehrung und Erhöhung bezieht sich auf alle Elemente der Hl. Dreifaltigkeit. Sodann wird das Brot in drei Teile gebrochen und in den Wein getaucht. Der gewaltige Tod, der die Sünden der Welt fortgenommen hat, soll hiermit vergegenwärtigt werden. Zunächst kommuniziert der Priester, daraufhin treten die Gemeindemitglieder – die seit dem Vorabend gefastet haben – zum Altar und empfangen das Heilige Mahl in beiderlei Gestalt. Bei der Austeilung des Heiligen Mahls knien nicht die Gläubigen, sondern vielmehr der Priester.

Segen und Entlassung

4.  Im vierten und Schlussteil der Liturgie steigt der Priester nach dem Dankgebet vom Altarraum herunter und liest aus dem 1. Kapitel des Johannes-Evangeliums die Verse 1-14. Anschließend werden die Gläubigen unter den Schutz des Kreuzes befohlen, gesegnet und entlassen.

Evangelium nach Johannes (1, 1-14)

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.