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Geschichte

Derzeit leben in Österreich an die 4.500 Armenier, rund 3.000 in Wien. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl stark angewachsen. Um 1960 bestand die armenische Gemeinde in Wien aus zirka 350 Mitgliedern. Bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung kamen ab den siebziger Jahren viele armenische Arbeitskräfte aus der Türkei nach Österreich. Der Bürgerkrieg im Libanon und die islamische Revolution im Iran brachten einen weiteren Zuzug von Armeniern aus diesen Ländern nach Österreich und vor allem nach Wien.
Die offizielle Anerkennung der armenisch-apostolischen Kirche als Religionsgemeinschaft durch die Republik Österreich erfolgte am 12.12.1972. Die Geschichte der Armenier in Österreich aber reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.

Die ersten Armenier in Österreich

Die ersten Armenier, die nach Österreich kamen, waren Vorkämpfer für die Befreiung ihres Landes aus den Händen der Osmanen und Perser. Ihnen ging es nicht darum, sich in Österreich anzusiedeln, sondern sie wollten auf die Situation ihres Volkes aufmerksam machen. Es waren sowohl Geistliche als auch Laien, die versuchten, den kaiserlichen Hof und die offiziellen Stellen für die armenischen Anliegen zu interessieren. Einer von ihnen war der Katholikos Stephanos von Salmast (1543-1552), der nach einem Besuch bei Papst Julius III. in Rom Ende April 1550 nach Wien kam. Das Oberhaupt der armenischen Kirche blieb vier Monate in Österreich. Nachdem er allerdings keinerlei nennenswerte Hilfe bekommen hatte, reiste er nach Polen weiter.

Zu einem wichtigen Zentrum für die Armenier wurde Wien Ende des 17. Jahrhunderts. Vor allem nach der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken im Jahr 1683 war in Österreich die Sensibilität für die Probleme der Armenier gestiegen. Besonders Kaiser Leopold I. zeigte Interesse und Verständnis für die armenische Frage. 1698 kam der bekannte armenische Politiker Israel Ori während einer Reise durch Westeuropa nach Wien und legte dem Kaiser seine Pläne für die Befreiung Armeniens vor.

In Wien, wo es spätestens ab der Mitte des 17. Jahrhunderts eine armenische Gemeinde gab, waren um diese Zeit zwei armenische Geistliche tätig: Vardapet Nerses aus Jerewan und Bischof Thomas Vanandetsi.
Vardapet Nerses war ein armenisch-katholischer Geistlicher und wirkte von 1680 bis 1700 in Wien. Er erwarb sich einiges Ansehen, als er sich während der Pestepidemie (1680) mit großem Einsatz der Krankenpflege widmete. 1683 konnte er aufgrund seiner türkischen Sprachkenntnisse viele der nach der Belagerung – meist als Gefangene – in Wien zurückgebliebenen Türken zum christlichen Glauben bekehren. Besonderen Ruhm erwarb sich Vardapet Nerses, als er im Jahre 1686 die Geheimbriefe des Armeniers Gabriel Tokatetsi ins Deutsche übersetzte. Gabriel Tokatetsi, der mit einer Türkin verheiratet war, kam während der Türkenkriege mit seiner Familie nach Wien. Vermutlich in offiziellem Auftrag begab er sich wenig später nach Budapest, um die militärischen Stellungen der Türken auszukundschaften. Seine Informationen schickte er in armenisch geschriebenen Briefen nach Wien. Vardapet Nerses übersetzte die Schreiben, die bis heute im Wiener “Haus-, Hof- und Staatsarchiv” aufbewahrt werden. In Anerkennung seiner vielfältigen Verdienste wurde Vardapet Nerses 1687 zum Titular-Hofkaplan, 1692 zum ordentlicher Hofkaplan und 1701 zum Domherrn von Sankt Stephan ernannt.

Bischof Thomas Vanandetsi (aus Vanand in Ostarmenien) kam im März 1697 nach Wien. Er hoffte hier auf finanzielle Unterstützung, um seine armenische Druckerei in Amsterdam fortsetzen und eventuell nach Armenien verlagern zu können. Bischof Thomas Vanandetsi blieb sechs Monate in Wien, zelebrierte Messen im Stephansdom und konnte auch eine gewisse Geldsumme für sein Anliegen sammeln. Mit zwei Empfehlungsschreiben, eines von Bischof Joannes Baptist Mair und eines von Kaiser Leopold I., reiste er weiter.
 

Die Armenier als erste Wiener Kaffeesieder

Historische Forschungen der letzten Zeit haben ergeben, dass die Armenier in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine viel wichtigere Rolle in der Geschichte Österreichs gespielt haben, als man bisher annahm. Vardapet Nerses und Gabriel Tokatetsi waren keine Einzelfälle. Eine Reihe von Armeniern reisten für die Interessen des kaiserlichen Hofes zwischen Polen, Ungarn und Österreich hin- und her, beschafften wertvolle militärische Auskünfte oder erledigten Botengänge.

Vor allem aber kamen die Armenier als Kaufleute nach Wien und waren hier sehr erfolgreich. Mautlisten aus den Jahren 1663-1668 lassen erkennen, dass sie einen Anteil von rund 65-75% an den Handelsgeschäften hatten.
Einer der Armenier, der zu dieser Zeit nach Österreich kam, war Johannes Deodat (Diodato), der mit armenischem Namen Yovhannes/Owannes Astouadzatur (Astouadzaturian) hieß und 1648 in Istanbul als Sohn des Kaufmannes Elias Diodato geboren wurde. Die Familie betrieb Handel mit türkischen Waren und verkaufte Kaffee und wahrscheinlich auch Tabak nach Österreich. 1654 kam Johannes Deodat mit seinem Vater erstmals nach Wien, 1666 ließ er sich in der Stadt nieder und besaß um 1670 in der “Goldenen Gans” in der Rotenturmstraße ein Geschäft. Johannes Deodat war sehr erfolgreich, konnte einige Grundstücke kaufen und erhielt am 17. 1. 1685 das kaiserliche Privileg “Caffé, Theé und Scherbet” 20 Jahre lang exklusiv zu verkaufen. Damit konnte er das erste Wiener Kaffeehaus eröffnen (im “Waaghaus” am damaligen “Haarmarkt”, heute Rotenturmstraße 19). Es war also ein Armenier, der die typische Wiener Institution des Kaffeehauses begründete!

Zu den ersten Wiener Kaffeesiedern gehörte auch Isaac de Luca, ein in Jerewan geborener Armenier. Er erhielt 1697 die Konzession zum Ausschank von “Theé, Caffeé, Schokolade und derlei Sorbeten”.

Der legendäre Georg Franz Kolschitzky, der lange Zeit – fälschlicherweise – als der Begründer des Wiener Kaffeehauses galt, war vermutlich ein katholischer Armenier. Geboren wurde er 1644 im ostgalizischen Sambor, ab 1660 hielt er sich in Wien auf. Kolschitzky sprach Türkisch und war während der Türkenbelagerung Wiens als Kurier tätig, wodurch er großes Ansehen erlangte. 1684 wurde er für seine Verdienste zum “Kaiserlichen türkischen Hofkurier” mit ständiger Besoldung ernannt.
 

Die Mechitaristen

Schon zu Zeiten der Kreuzzüge entstand eine enge Verbindung zwischen West- und Mitteleuropa und den Armeniern. Im 14. und15. Jahrhundert wurden die Beziehungen vor allem dadurch intensiviert, dass römische Missionare nach Armenien kamen: die Franziskaner nach Kilikien, Nordarmenien und Georgien und die Dominikaner nach Großarmenien und Persien. Im 17. und 18. Jahrhundert unternahm Rom eine neue Initiative, um die Armenier in Westarmenien und Konstantinopel zu gewinnen. Im Zuge der Bestrebungen entschied sich Vardapet Mechithar von Sebaste (1676-1749) für die römisch-katholische Kirche. 1701 gründete er in Konstantinopel eine Ordenskongregation (die eigentliche Bezeichnung lautet “Orden des hl. Antonius”). Der Orden erhielt 1711 die päpstliche Bestätigung und nahm 1713 die Benediktinerregel an. Aus politischen Gründen musste der Orden Konstantinopel verlassen, 1703 – 1714 war der Sitz in Modon (Methone, Griechenland), seit 1717 befindet sich das Ordenszentrum auf der Laguneninsel San Lazzaro bei Venedig.

Ein Zweig der Kongregation, der bestimmte Reformen ablehnte, ließ sich 1773 in Triest nieder. Zwei Jahre später, am 30. Mai 1775, erhielten diese Mönche von Kaiserin Maria Theresia ein aus 53 Artikeln bestehendes Privileg, das ihnen verschiedene Rechte und Begünstigungen einräumte. Bemerkenswert ist, dass durch dieses Privileg auch die armenischen Laien in Triest in gleicher Weise wie die Untertanen der Habsburger behandelt wurden und ungestört sowohl bewegliche als auch unbewegliche Güter frei erwerben und besitzen konnten. Die armenischen Kaufleute, die sich im Freihafen Triest niedergelassen hatten, erhielten “alle Rechte und Ausnahmen” der habsburgischen Untertanen.

1805 erfolgte die Übersiedlung der Mechitaristen nach Wien, wo sie sich im ehemaligen, von Kaiser Joseph II. aufgehobenen Kapuzinerkloster in der Vorstadt St. Ulrich niederließen. 1811 wurde dort auch die Druckerei des Ordens begründet, die von großer kultureller Bedeutung werden sollte. Bis zu ihrer Schließung im Jahr 1999 wurden in der Druckerei der Mechitaristen nicht nur Werke in armenischer Sprache, sondern auch in rund 50 weiteren orientalischen Sprachen gedruckt.
Der Orden verfügt über eine bedeutende Bibliothek, in der rund 2.600 armenische Handschriften sowie rund 130.000 Bücher und zirka 170.000 Zeitschriftenbände verwahrt werden. Hervorzuheben sind auch die Leistungen des Orden auf dem Gebieten der Schulerziehung und der Philologie.
 

Die Wiener armenische Kolonie unter Maria Theresia

In seiner Geschichte der Armenier in Österreich (in: “Franz Werfel und Komitas”, Peter Lang Verlag 1999) verweist Erzbischof Mesrob K. Krikorian auf eine interessante Liste aus dem Jahr 1767. Bei der damaligen Volkszählung in Wien wurden auch die Namen der sich in Wien befindlichen Armeniern festgehalten. Insgesamt waren es 21 Familien. Die Liste enthält einige Zusatzangaben und gibt damit ein genaues Bild der damaligen armenischen Gemeinde. Die Namen lauten:
 
(1) KARL TOPDSCHI, geboren in Ankara, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnt bei Herrn Johann Chremser. Ist seit 16 Jahren mit seiner Frau in Wien, schon k. k. Untertan, als Dolmetscher für die türkische Sprache tätig, gleichzeitig Verbindungsmann der türkischen Glashändler.
 
(2) DAVID ALEXANDER, 55 Jahre alt, geboren in Mesopotamien, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft auf der Landstraße, türkischer Staatsbürger. Hat seit 20 Jahren keine Steuern an die osmanische Regierung bezahlt. Seit 17 Jahren in Wien ansässig und möchte für immer hier bleiben. Betreibt mit Herrn Thomas Muradscha ein Geschäft im Langen Haus und handelt mit Waren, die aus der Türkei eingeführt wurden. Beide Partner exportieren gleichzeitig Waren aus Steyr und Nürnberg in die Türkei.
 
(3) THOMAS MURADSCHA, 43 Jahre alt geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Familie auf der Landstraße. Türkischer Staatsbürger, aus Triest nach Wien gekommen und möchte hier bleiben. Importiert gemeinsam mit David Alexander Waren aus Smyrna und verkauft diese auf dem Markt. Hat noch keine Steuern bezahlt!
 
(4) ELIAS SEFER, 50 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Familie in der Gemeingasse auf der Landstraße. Er ist noch türkischer Staatsbürger, zum ersten Mal vor 20 Jahren mit den Trinitariern als Dolmetscher nach Wien gekommen und letztlich vor 5 Jahren über Siebenbürgen hier eingereist. Handelt mit türkischen Waren im Regensburger Hof’ und will für immer in Österreich bleiben.
 
(5) PAUL SANDALDSCHI, 36 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, wohnhaft mit seiner Frau auf dem Hohen Markt bei Hoerner. Vor neun Jahren über Venedig und Tirol nach Wien eingereist, schon k.k. Untertan, möchte hier bleiben. Ist im Kleinhandel beschäftigt.
 
(6) JOHANN JAKOB, 48 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Frau und den Kindern in der Leopoldstadt. Ist vor 19 Jahren nach Österreich gekommen, schon k k. Untertan und möchte hier bleiben. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Schneider.
 
(7) PAUL DEODAT, 37 Jahre alt, geboren in Mesopotamien, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Frau und den Kindern auf der Landstraße. Früher türkischer Staatsbürger, nun k. k. Untertan, vor 12 Jahren nach Österreich gekommen. Besitzt kein Geschäft, sondern kauft Waren aus Jerusalem von einem Araber, die er hier vertreibt.
 
(8) JOHANN PAUL, 50 Jahre alt, geboren in Mesopotamien, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Frau und den Kindern auf der Jägerzeile in der Leopoldstadt. Vor ca. 10 Jahren über Italien nach Wien gekommen, schon k. k. Untertan, hat aber noch niemals Steuern bezahlt. Im Hause Albrechtsburg in der Judengasse unterhält er ein Geschäft und handelt mit türkischen Waren.
 
(9) JOHANN PRIMA, 35 Jahre alt, geboren in Ankara, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Frau und den Kindern bei Schneiders zu Rotenturm. Vor 10 Jahren über Livorno und Triest nach Wien gekommen. Früher türkischer Staatsbürger, nun k. k. Untertan, beabsichtigt für immer in Österreich zu bleiben. Hat kein Geschäft, handelt mit orientalischen Waren, wie z.B. Rosinen und Kaffee.
 
(10) JEREMIAS SAMSON, 50 Jahre alt, geboren in Mesopotamien, armenisch-katholisch, verheiratet, wohnhaft mit seiner Frau und den Kindern in Lerchenfeld im ‘Goldenen Kreuz’. Hat vor 25 Jahren die Türkei verlassen und ist vor 10 Jahren über Italien nach Wien gekommen. Früher türkischer Staatsbürger, jetzt k. k. Untertan, möchte wie alle anderen in Österreich bleiben. Wie Paul Deodat, bezieht auch er Waren von einem Araber namens Abdullah und verkauft diese weiter.
 
(11) MICHAEL BELLAN, 27 Jahre alt, geboren in Aleppo/Syrien, armenisch-katholisch (!), Junggeselle, wohnhaft am Spittelberg. Seine Mutter ist noch in der Türkei, der Vater, ein Geistlicher, lebt hier. Ist vor ca. 10 Jahren über Venedig und Triest nach Wien gekommen, noch türkischer Staatsbürger, verkauft orientalische Waren aus Jerusalem auf dem Markt.
 
(12) JOHAN MOROKOWICZ, 32 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, nicht verheiratet, türkischer Staatsbürger, wohnhaft in der Josefstadt im ‘Roten Herz’. Vor 6 oder 7 Jahren aus der Türkei geflohen und über Polen nach Österreich gekommen. Möchte für immer in Wien bleiben; ist im Kleinhandel beschäftigt.
 
(13) JOHAN OSKAN, 32 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, sehr krank, mit seiner Mutter wohnhaft am Salzgries. Wurde als kleines Kind gezwungen, zum Islam überzutreten, kam aber später mit seiner Mutter nach Italien und schließlich nach Wien. Sie sind arm und leben von der karitativen Unterstützung der Katholiken.
 
(14) ANTON GENTILHOMO, 48 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, verheiratet mit einer Österreicherin, wohnhaft mit seiner Familie am Hohen Markt beim Greißler. Vor 16 Jahren über die Walachei-Siebenbürgen-Rothenturm nach Wien gekommen und besitzt schon die k. k. Bürgerschaft. Hat noch keine Steuern bezahlt, da niemand von ihm etwas verlangte. Hat kein Geschäft, arbeitet aber als Goldschmiedhändler zwischen Österreich und der Türkei.
 
(15) ANTON MELCHIOR, 42 Jahre alt, geboren in Kharpert (Harput) in Kleinasien, armenisch-katholisch, verheiratet, noch türkischer Untertan, wohnhaft mit seiner Frau und den Kindern in Mariahilf bei den ‘Zwei Lustigen Bauern’. Vor 15 Jahren über Kronstadt nach Österreich gekommen, am Anfang nach Italien gezogen. aber schon seit 12 Jahren in Wien ansässig. Hat kein Geschäft, handelt aber mit Waren aus Jerusalem, wie z.B. Kreuze, Tabak, Pfeifen etc.
 
(16) STEPHAN ANNAMAZ, 51 Jahre alt, geboren in Nachitschewan (Persisch-Armenien), armenisch-katholisch, verheiratet, 2 Kinder, schon k. k. Unter-tan, wohnt auf der Landstraße. Vor 18 Jahren aus der Türkei nach Amsterdam gekommen, dann nach Polen weitergereist und schließlich in Wien ansässig geworden. Besitzt kein Geschäft, handelt aber mit Waren aus Jerusalem.
 
(17) CHRISTOPH STEPHAN, 44 Jahre alt geboren in Nachitschewan (Persisch-Armenien), armenisch-katholisch, türkischer Staatsbürger, verheiratet, 4 Kinder, wohnhaft in Mariahilf bei der ‘Grünen Kapelle’. Vor 14 Jahren über Polen nach Österreich gekommen und später nach Italien (Venedig, Livorno, Rom) weitergereist, die letzten 10 Jahre aber in Wien ansässig gewesen. Hat kein Geschäft, verkauft aber Waren aus Jerusalem, Kreuze, usw.
 
(18) MARTIN THOMAS, 48 Jahre alt, geboren in Mesopotamien, armenisch-katholisch, verheiratet, hat Kinder, schon k. k. Untertan, wohnhaft mit seiner Familie im Alten Lerchenfeld beim ‘Goldenen Kreuz’. Vor 11 Jahren über Triest nach Wien gekommen und handelt mit Waren aus Jerusalem.
 
(19) EMMANUEL BAPTISTA, 24 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, nicht verheiratet, k. k. Untertan, wohnhaft in der Leopoldstadt im ‘Goldenen Kreuz’. Vor 16 Jahren schon einmal nach Österreich gekommen, ist aber seit 2 Jahren nun ständig in Wien. Mit Herrn Gabriel Giuseppe und Hadschi Mussa importiert er orientalische Waren aus der Türkei und Jerusalem und exportiert Schmuck und andere Waren in die Türkei.
 
(20) ANTON PAUL, 23 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, nicht verheiratet, türkischer Bürger, wohnhaft in der Leopoldstadt im Hause des Sperlbauer. Ist vor 4 Jahren zum ersten Mal nach Österreich gekommen, hat sich aber auch teilweise in Brünn und Olmütz aufgehalten. Importiert Waren aus der Türkei und verkauft diese in Wien.
 
(21) MARTIN DÖVLET, 37 Jahre alt, geboren in Konstantinopel, armenisch-katholisch, verheiratet, k. k. Untertan, wohnhaft mit seiner Frau in der Leopoldstadt beim ‘Weissen Gattern’. Vor ca. 9 Jahren nach Wien gekommen, bei einem Türken als Dolmetscher angestellt. Beabsichtigt, für immer in Österreich zu bleiben.
 
“Es ist merkwürdig”, vermerkt dazu Erzbischof Krikorian in seiner Studie, “dass alle diese armenischen Familienoberhäupter ausnahmslos katholisch sind und zum Großteil europäische Namen tragen; teilweise haben sie türkische Familiennamen (1, 3, 4, 5, 10, 11, 16, und 21), und nur einer hat seinen armenischen Namen Oskan = ‘Jäger’ (Nr. 13) behalten. Außer 3 Männern sind alle Geschäftsleute; einer (Nr. 6, Johann Jakob) ist Schneider, der andere (Nr. 21, Martin Dövet) ist Dolmetscher, während der dritte so krank ist, dass er von Almosen leben musste (Nr. 13). Es waren nur ca. 50 Jahre vergangen und man findet keine Spur mehr von der einflussreichen Generation der Armenier, die zum Habsburgischen Hof Zugang hatte, in der Ostpolitik der Monarchie aktiv war, die Österreicherinnen der adeligen oder höheren Gesellschaft heiratete und höhere Pensionen von der k. k. Regierung bezog. Wahrscheinlich war es auf die politisch geänderten Umstände jener Zeit zurückzuführen, dass sich die Bedeutung der armenischen Gemeinde so verringert hat”.
 

Der Weg zur Anerkennung der armenisch-apostolischen Kirche

Als in den Jahren 1774/1775 die Bukowina österreichisch wurde, kam auch die alte armenisch-apostolische Kirchengemeinde von Suczawa (nunmehr in Rumänien) unter österreichische Verwaltung. Die Gemeinde bestand aus rund 120 Familien und verfügte über vier Kirchen, zwei Priester und eine Schule. 1783 wurde die Gemeinde von Kaiser Joseph II. besucht, der im Anschluss daran in einem Handschreiben vermerkte: “Die armenische Gemeinde allhier, deren Gottesdienst Ich selbst beigewohnt habe, ist wenig ausgenommen, allen übrigen Katholischen Armeniern gleich, es sind also alle weiteren Nachforschungen über ihre Religion einzustellen und sie bei ihrem Handel und Wandel ungestört zu belassen, auch ist zu trachten, noch mehrere derlei Leute herüber zu bringen.”
Dies war die Grundlage für ein Hofkriegsratsdekret vom 4.7.1783, mit dem armenisch-apostolische Kirchengemeinde offiziell anerkannt wurde, und zwar nicht nur auf dem Gebiet der Bukowina, sondern in der ganzen Monarchie.

Schon während der Amtszeit des armenischen Patriarchen von Konstantinopel, Nerses Varzapetian (1874-1884), wurden mit Befürwortung des Vertreters der Hohen Pforte in Österreich Pläne zur Erbauung einer armenischen Kirche in Wien erwogen. Diese Bemühungen blieben jedoch ohne Erfolg. Am 10. Dezember 1896 beantragte eine Gruppe von 19 Armeniern bei der niederösterreichischen Stadthalterei die Bewilligung zur Konstituierung einer selbständigen Kirchengemeinde oder eventuell einer Filiale der armenisch-apostolischen Gemeinde von Suczawa. Auch dieses Unternehmen brachte kein Ergebnis, weil die Zahl der Armenier in Wien, damals rund 100, den staatlichen Behörden als zu gering erschien.

Sakrale Zeremonien, wie Hochzeiten und Taufen, wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts in der griechisch-orthodoxen Kirche (St. Georg, Griechengasse) abgehalten, die Gottesdienste wurden von Zeit zu Zeit von einem armenischen Geistlichen aus Suczawa zelebriert.
 

Die erste armenische Kapelle in Wien

Um die Jahreswende 1912 / 1913 wurde in Wien die erste armenische Kapelle eingerichtet. Es war eine Hauskapelle, die den Namen des heiligen Salvator (armenisch Surb Prkitsch) trug. Die Initiative ging auf einige Armenier unter der Führung des Priesters Aristakes Fesslian aus Suczawa zurück. Im Kirchenarchiv der armenisch-apostolischen Gemeinde fand Erzbischof Krikorian 1981 ein Dokument, das man, so vermerkt er, “als Geburtsschein der St. Salvator Kapelle bezeichnen kann, nämlich eine großformatige Urkunde, worin alle Stifter ihre Namen unterzeichnet haben. Es sind genau 48 Personen, die dort als Gründer und Spender erscheinen, darunter auch der Geistliche Fesslian.
In deutscher Übersetzung heißt es in diesem Dokument:

Gedenkschrift der Gründer der St. Salvator Kapelle Wien 1912
“Durch die Bestrebungen des Hochwürden Aristakes Fesslian und dank der Frömmigkeit und finanziellen Unterstützung der nachstehend angeführten Armenier wurde die dem Namen St. Salvator gewidmete Kapelle im obersten Stockwerk des Hauses Wien I, Dominikanerbastei 10, im Dezember des Jahres 1912 gegründet.”

Aristakes Fesslian leistete als Priester nicht nur moralische Unterstützung, sondern er brachte auch viele Kirchenutensilien aus Suczawa mit, die bis heute in Verwendung sind.

Als Nachfolger von Aristakes Fesslian kamen einige Geistliche aus Armenien nach Wien, da inzwischen die Diözesen von Osteuropa direkt unter die Jurisdiktion des Katholikosats von Etchmiadzin gestellt worden waren. Einer jener Seelsorger, die sich nur kürzere Zeit in Wien aufhielten, war der Kirchenrechtler Bischof Arséne Gheltedjian, vielleicht damals noch ein Vardapet. Aus Rumänien kam im Jahre 1928 der verheiratete Priester Jeghische Utudjian nach Wien, der später, nach dem Ableben seiner Gattin, zum Vardapet geweiht wurde. Er betreute die Gemeinde 30 Jahre hindurch in seelsorgerischer Hinsicht und war darüber hinaus ein wichtiger Bewahrer des armenischen Volkstums. Von 1959-1961 wirkte Vardapet Mesrob K. Krikorian als Gastseelsorger in Wien, im Jänner 1962 wurde er zum ständigen Pfarrer bestellt.
 

Von der Kapelle zu einer Kirche

Knapp nach der Eröffnung der armenischen Kapelle brach der 1. Weltkrieg aus, der auch für die armenische Gemeinde in Wien einen harten Schlag darstellte. Jene Armenier, die ottomanische Staatsbürger waren, mussten in die Türkei zurück, um in die Armee einzurücken. Andere gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weil die Handelsbeziehungen mit dem Ausland stagnierten. Erst um das Jahr 1920 begann sich ein neues Gemeindeleben rund um die Kapelle St. Salvator zu organisieren.

Der 2. Weltkrieg brachte eine Vergrößerung der Gemeinde – einerseits durch Armenier, die aus Griechenland kamen, und andererseits durch armenische Gefangene aus der Sowjetunion. Selbstverständlich gab es damals und vor allem nach dem Krieg schwere finanzielle und soziale Probleme innerhalb der Gemeinde. Aber der Kirche gelang es, Unterstützung vom “Allgemeinen Armenischen Wohltätigkeitsverein” in New York zu bekommen.

Während des Krieges und auch danach übernahm der Wiener Pfarrer die seelsorgerische Betreuung der Armenier in Deutschland, wo es nie eine organisierte armenische Kolonie gegeben hat. S.H. Vasken I., Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, ordnete im Jahr 1957 an, dass Hw. Utudjian für die Armenier in der BRD offiziell die Seelsorge übernehmen möge. Damit wurde ein selbständiges Hirtenamt (Prälatur) für Österreich und Deutschland geschaffen. Denn früher stand Wien unter der Jurisdiktion von Paris, dem Zentrum der westeuropäischen Diözese. 1971 wurde Deutschland wiederum mit der westeuropäischen Gemeinde vereint, während das österreichische Hirtenamt weiterhin selbständig blieb.

Am 2. Januar 1980 jedoch errichtete S.H. Katholikos Vasken I. mit seiner Enzyklika Nr. 994 eine neue Diözese für Mitteleuropa (Österreich und Deutschland) mit dem Sitz in Wien. Auch Schweden gehört zu dieser Jurisdiktion. Dem Prälaten von Wien wurde der Titel “Patriarchal-Delegat” übertragen, d.h. er vertritt seine Heiligkeit ohne von der Diözese gewählt zu werden.

Im Dezember 1959 wurde Sarkis Karabetian (gest. 1978) zum Obmann der Wiener Gemeinde gewählt, Anfang 1962 ließ sich Vardapet Krikorian als Seelsorger in Wien nieder. Den fast hundertjährigen Wunsch der armenischen Gemeinde nach einer eigenen Kirche konnte der Kirchen(bau)verein nun unter diesem Obmann und dem neuen Pfarrer realisieren. Am 5.3.1964 wurde das Haus in der Kolonitzgasse 11 mit dem dazugehörigen Grundstück gekauft. Die Absicht war, im Hof eine Kirche zu bauen. Zu diesem Zeitpunkt besuchte Frau Rose Tricky aus London, eine in Smyrna geborene Armenierin mit dem Mädchennamen Hripsime Haladjian, Wien und machte das großzügige Angebot, eine Kirche zu stiften. Am 28.6.1964 fand die Grundsteinlegung statt, bei der Frau Tricky persönlich anwesend war.

An diesem Tag befand sich zufälligerweise auch eine Architektengruppe aus Jerewan zu Besuch in Wien. Ihr gehörte der Architekt Eduard Sarabian an, der sich bereit erklärte, die Pläne für den Kirchenbau auszuarbeiten. Kurz darauf wurde der fertige Entwurf durch das Patriarchat von Etchmiadzin dem Kirchenverein übermittelt. Der Wiener Architekt Ing. Walter Dürschmied wurde mit der Durchführung des Projekts betraut. Viele Armenier und armenische Gemeinden aus aller Welt beteiligten sich mit Spenden an dem Kirchenbau, wobei S. H. Katholikos Vasken I. große moralische Unterstützung gewährte. Die feierliche Einweihung der Kirche St. Hripsime im Namen der Stifterin fand am 21.4.1968 durch S. H. Katholikos Vasken I. in Anwesenheit zahlreicher Würdenträger der Armenischen Kirche sowie höchster staatlicher und kirchlicher Stellen in Österreich statt.
 
 
Dieser Text basiert auf der von Erzbischof Krikorian verfassten Geschichte der Armenier in Österreich. In: Krikorian, Mesrob K.: Franz Werfel und Komitas. Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt 1999. ISBN 3-631-34996-3